Zum Arabischen Coffe Baum

Zum Arabischen Coffe Baum

Das Leipziger Kaffeehaus Zum Arabischen Coffe Baum, das sowohl durch seine architektonische Gestaltung, als auch durch die Geschichte des Kaffees mit dem Kolonialismus verbunden ist, befindet sich in der Kleinen Fleischergasse 4 direkt in der Innenstadt. Es ist, mit nachweisbarem Kaffeeausschank seit 1717, europaweit eines der ältesten seiner Art. Bekannt ist das Café auch als historischer Treffpunkt berühmter Persönlichkeiten wie Robert Schuman und Johann Wolfgang von Goethe.

Über dem Portal des Renaissance-Baus, dessen Fassade in barockem Stil umgestaltet wurde, ist eine steinerne, figürliche Plastik angebracht. Zu sehen ist das stereotype Abbild eines – wahlweise als Araber oder als Türke gelesenen – Mannes mit Turban, der einer Putte, also einer kindlichen Figur, eine goldverzierte Kaffeetasse reicht, während sein anderer Arm auf einer übergroßen Kanne ruht. Dazwischen befindet sich augenscheinlich der Baum, der dem Haus seinen Namen gibt. Portalplastik und Name stammen aus dem Jahr 1720, waren also nicht ursprünglich Teil des Konzepts. 1

Heutiger Eingang zum Café (Foto: Ines Gerber)

„Der Kaffee, aus dem türkisch-arabischen Kulturkreis nach Europa gekommen, gilt als letztes großes Kulturgeschenk des Orients an den Okzident“, interpretiert Hannelore Stingl den Gehalt der Fassadengestaltung.2 Während dies durchaus die intendierte Botschaft des Reliefs sein mag, stellt sich die Frage, inwiefern hier von einem Geschenk im Sinne einer freiwilligen Gabe gesprochen werden kann.

Im historischen Kontext erscheint die weltweite Ausbreitung des Kaffees nicht gerade als ein einvernehmlicher Prozess. So findet sich unter anderem auf der Seite des Deutschen Kaffeeverbands der Verweis auf den Zerfall des arabischen Kaffeemonopols im Zuge der Kolonialisierung. Niederländer*innen hatten im Jahr 1616 Kaffeepflanzen an sich genommen und diese zur eigenen Zucht in ihre verschiedenen Kolonien gebracht.3 Dem Beispiel der Niederlande folgten bald einige weitere Kolonialmächte, so dass Kaffeeanbau und -handel sowie der Kaffeekonsum in Europa rapide anstiegen. Im Kaffeehaus Zum Arabischen Coffe Baum wurde das Heißgetränk spätestens ab 1717 nachweislich angeboten. Schon ab 1647 hatten sich in vielen europäischen Städten solche Häuser etabliert. Obwohl Kaffee von einigen Europäer*innen abwertend als ‘Türkentrank’ bezeichnet wurde, entwickelte sich das Getränk zum Publikumsschlager. In diesem Zuge spielte die exotisierende bis rassistische Vermarktung des Produkts eine nicht unwesentliche Rolle.


Kolonialismus und Kaffeehandel

Als Messestadt und Handelsknoten etablierte sich in Leipzig schon früh das Konzept des Kaffeehauses – das erste Café in Leipzig wurde wohl 1694 am Markt eröffnet und 1706 vom Hofchocolatier Johann Lehmann übernommen – , während sich das eigentlich aus dem arabischen und türkischen Raum stammende Konzept im restlichen damaligen Heiligen Römischen Reich vergleichsweise zögerlich ausbreitete.4 Im Jahr 1700 existierten in Leipzig bereits fünf, im Jahr 1720 sieben Kaffeehäuser. Schon ab 1614 hatten niederländische Kaufleute den Anbau und die Weiterverarbeitung von Kaffee studiert. Später brachten die Niederländer*innen die Pflanzen in ihre Kolonien und breiteten den Kaffeeanbau in Amerika und Asien aus – 1658 auf Sri Lanka, 1699 auf Java und wenig später auf Sumatra, Bali, Timor und später Celebes (heutiges Sulawesi).5 Im südamerikanischen Surinam, das die Niederländer*innen 1667 im Tausch gegen ihre nordamerikanischen Gebiete von den Engländer*innen erhalten hatten und das fortan zusammen mit Guyana die Kolonie Niederländisch-Guayana bildete, begann ab 1718 der Kaffeeanbau.

Erst 1714 gelangte eine brauchbare Kaffeepflanze nach Paris und so fanden die Samen dann etwas verspätet auch in die französischen Kolonien.6 „Wer über den Kaffee verfügte, war sehr darauf bedacht, daß er ihn allein besaß. […]Verbote, Samen oder Setzlinge auszuführen, hatten angeblich schon die Araber erlassen, genau wissen wir das aber von den jeweiligen Kolonialmächten.“7 Trotz des massiven Konkurrenzdrucks globalisierte sich der Kaffeeanbau und -handel immer weiter. 1730 brachten Engländer den Kaffee schließlich auch nach Jamaika.8 Um 1800 hatten die Kolonialmächte somit die wesentlichen Anbaugebiete rund um den Äquator, die in ihrer Gesamtheit heute noch als Kaffeegürtel bezeichnet werden, etabliert. Monokulturen waren durchgesetzt worden, es kam zu ersten sozialen Auseinandersetzungen. Entfesselt wurde diese Problematik im 19. Jahrhundert zusätzlich durch den ‘Kolonialenthusiasmus’ und einem immer stärker ansteigenden Kaffeebedarf. So begannen die Engländer 1840 mit der Großkultivierung in Indien, 1878 in Zentralafrika, etwas später in Ostafrika. Australien erreichte der Kaffeeanbau 1876.

„So uneinig sich Portugiesen, Spanier, Niederländer, Engländer und Franzosen bei der Verteilung der überseeischen Territorien waren, so einig waren sie sich dagegen in einem Punkt: bei der Beschaffung billiger Arbeitskräfte aus ‘Schwarzafrika’, sprich im Sklavenhandel.“.9 Zur Arbeit auf den Kaffeeplantagen waren Versklavte und die zur Zwangsarbeit verpflichtete, lokale Bevölkerung genötigt. Aufgrund der Ausbeutung und der unwürdigen Behandlung kam es immer wieder zu Widerständen, die brutal niedergeschlagen wurden. So fand ab 1791 auf Haiti der größte “Sklavenaufstand” dieser Zeit statt. Für den Zucker-und Kaffeeanbau waren ab 1730 jährlich um die 30 000 versklavte Menschen aus dem südlichen Teil des afrikanischen Kontinents ins Land gebracht worden, um die immer größer werdenden Plantagen zu bearbeiten. In Folge der Proteste trat Frankreich seine Rolle als führender Kaffeeproduzent wiederum an die Niederlande ab. Diese vertrieb in großem Stil vor allem indonesischen Kaffee in Europa. Deutsche Kaffeehändler bezogen diesen, sowie andere sogenannte Kolonialwaren, vor allem durch die Niederländer*innen, aber auch aus den eigenen Kolonien. Durch die Ausbreitung der Kaffeeseuche in der Mitte des 19. Jh. in Indonesien verlagerte sich die Weltkaffeeproduktion dann nach Mittel- und Südamerika.

„Auch wenn der Kaffee heute kein Kolonialprodukt mehr ist, die welthandelspolitischen und sozialen Probleme, die unmittelbar mit ihm verknüpft sind, halten an.“10 Die koloniale Wirtschaftspolitik mit ihrer Intensivbewirtschaftung mit Monokulturen ist auch noch heute folgenreich für die Situation in den ehemaligen kolonisierten Gebieten.

Orientalismus als Werbemittel

Die Kolonialmächte eigneten sich den Kaffee an und beuteten die lokalen Bevölkerungen, sowie die in die Anbauregionen verschleppten und versklavten Menschen, aus, um möglichst viel Profit aus dem Handel zu schlagen. Diesem kapitalistischen Ziel folgend, musste das Produkt in Europa vermarktet werden und dies geschah in ebenso kolonialer Manier.

Beliebt wurde der Kaffee in Europa vor allem durch die Verknüpfung mit Bildern der Fremdheit und des Exotismus. In der Werbung wie in der Raumgestaltung fanden sich immer wieder Darstellungen Schwarzer Menschen und People of Colour in freizügigen Kostümierungen und dienerischen, unterwürfigen oder ekstatischen Posen, die das weiße Publikum belustigen und faszinieren sollten. So kann man davon ausgehen, dass der Kaffee ohne das Image des mystifiziertem ‘Orients’ für die meisten Europäer*innen kaum solch einen Reiz gehabt hätte. Die Sehnsucht nach der Fremde führte zu vielen, oft auch widersprüchlichen Assoziationen mit dem Außereuropäischen. Zum einen wurde alles Nicht-Westliche als ‘barbarisch’ und ‘unzivilisiert’ marginalisiert, zum anderen stellte man sich die Fremde als eine Art Paradies vor, in dem die Leiden der Zivilisation nicht existierten und Reichtum trotzdem in unbegrenzten Mengen zur Verfügung stünde.11 Verfügbar stellte man sich auch die Frauen außerhalb Europas vor und so wurden rassistische Vorstellungen vielerorts mit sexistischen vermengt. Die Werbung hatte hier eine verstärkende Wirkung, indem sie die Klischees dienender und freizügiger ‘Orientalen’ reproduzierte – in dem Wissen, dass es einen Markt dafür gab (und immer noch gibt).

Auch das Café Zum Arabischen Coffe Baum bedient diesen Markt mit seiner bekannten Darstellung über der Eingangstür, die im Zuge einer Fassadenumgestaltung im Jahr 1720 entstand. Das Relief, das laut manchen Quellen Sultan Mohammed IV. zeigen soll, in den meisten Dokumenten aber nur mit ‘Orientale’, Araber oder Türke beschrieben wird, wurde 1720 mutmaßlich vom Landesherr August dem Starken gestiftet.12 Allerdings lässt sich vieles um das Café und die Gestaltung nicht mehr vollständig nachvollziehen. So wird zwar spekuliert, die Portalfiguren stammten vom Dresdner Steinmetzmeister Johann Benjamin Thomae, sicher kann man sich allerdings weder über den*die Stifter*in, noch über den*die Künstler*in sein.13 Johann Lehmann, der das Gebäude 1717 von seinem Schwiegervater erworben hatte, verstarb schon 1719, kurz vor Eröffnung des Kaffeehauses.14 Dass sein Name in der Fassade festgehalten ist, könnte auch bedeuten, dass er das Werk noch vor seinem Tod in Auftrag gegeben hatte. 15 Nach dem Tod Lehmanns, betrieb seine Witwe Johanna Elisabeth ab 1719 das Café, das zu dieser Zeit noch „am Barfüßer Thor“ hieß.16 Sicher ist jedenfalls, dass hier seit dem frühen 18. Jahrhundert Kaffee ausgeschenkt wurde und sich der Ort schnell als Treffpunkt verschiedener bürgerlicher Intellektueller und als Austauschplattform für politische Diskussionen und Unterhaltungsprogramme etablierte. Im Laufe der Zeit bekam die Fassade mehrmals einen neuen Anstrich, so dass die Portalplastik einige Zeit in goldener Farbe erstrahlte und später weiß übermalt wurde.

Auch heute bietet die unkommentierte Portalplastik an der Fassade des Kaffeehauses Zum Arabischen Coffe Baum eine Plattform für das imaginierte Fremde, die durch den Tourismus und durch Publikationen über das Kaffeehaus mitgetragen werden. So heißt es im Buch „Orientalisches Leipzig“: „Zudem bietet der „Arabische Coffe Baum“ Raum für Veranstaltungen vielerlei Art, auch orientalisch geprägten. So können sich Gäste unter anderem mit kulinarischen Köstlichkeiten aus Tausendundeiner Nacht verwöhnen lassen.“17 Irritierend wirkt diese Beschreibung unter anderem in Anbetracht des Versprechens im Vorwort des Buches, auf das Rumreiten auf Klischees verzichten zu wollen. Neben dem ebenfalls auf kolonialen Strukturen beruhenden Café Riquet ist Zum Arabischen Coffebaum das bekannteste Kaffeehaus Leipzigs und ein Magnet für Tourist*innen. In der Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums zur Kulturgeschichte des Kaffees, die sich seit 1999 mit im Gebäude befindet, wird das Motiv der Portalplastik in Form einer ihr nachempfundenen Figur erneut aufgenommen. Kaffeehaus wie Kaffeemuseum sind derzeit wegen Sanierungsarbeiten bis auf weiteres geschlossen. Das Gebäude soll wohl frühestens im Jahr 2021 wieder verpachtet werden. 18


  1. Stöhr, Juliane (2013): „Zum Arabischen Coffe Baum“: Eine Reise durch die Welt des Kaffees, in: Stock, Kristina (Hg.): Orientalisches Leipzig. Orte, Menschen, Bauwerke, Institutionen, Leipzig: AKV, S. 137 f.
  2. Stingl, Hannelore (2003): Der »Kaffeebaum« in Leipzig, Leipzig: Lehmstedt Verlag, S. 25.
  3. Deutscher Kaffeeverband: Die Geschichte des Kaffees. Verbreitung in der Welt.
  4. Krieger, Martin (2011): Kaffee. Geschichte eines Genussmittels. Köln: Böhlau, S. 163 f.
  5. Heise, Ulla (1996): Kaffee und Kaffeehaus. Eine Bohne macht Kulturgeschichte, Leipzig: Kiepenheuer, S. 49.
  6. Ebd., S. 50.
  7. Ebd., S. 51 f.
  8. Ebd., S. 53.
  9. Ebd., S. 54.
  10. Ebd., S. 58.
  11. Kaufmann, Stefan (2002): Vom Zeichen zur Ursache einer kulturellen Differenz. Die Körper der Wilden in der Anthropologie des 18. Jahrhunderts, in: Fludernik, Monika/ Haslinger, Peter u.a. (Hg.): Der Alteritätsdiskurs des Edlen Wilden. Exotismus, Anthropologie und Zivilisationskritik am Beispiel eines europäischen Topos. Würzburg: Nomos/Ergon, S. 95-120, S.99.
  12. Krieger, Kaffee, S. 167.
  13. Stingl, Der Kaffeebaum, S. 25.
  14. Ebd., S. 25.
  15. Ebd., S. 26.
  16. Ebd., S. 92 ff.
  17. Stöhr 2013, Zum Arabischen Coffe Baum, S. 139.
  18. https://www.saxonia-gastgewerbe.de/boersen/gastronomische-objekte/alle-objekte/coffe-baum-in-leipzig/