Lumumba-Denkmal

Lumumba-Denkmal

In der Lumumba-Straße 4, vor dem Herder-Institut, steht seit 1961 eine Büste Patrice Lumumbas, des ersten Präsidenten dee unabhängigen Demokratischen Republik Kongo. Das Institut der Karl-Marx-Universität hatte zwischen 1956 und 1990, als wichtigstes Forschung- und Lehrinstitut für die deutsche Sprache, ausländische Studierende auf ein Fachstudium in der DDR vorbereitet. 1991 wurde das Herder-Institut mit dem Studienkolleg Sachsen neugegründet und an die Philologische Fakultät der Universität Leipzig angegliedert. Bis heute wird dort in Bachelor-, Master- und Promotionsstudiengängen Deutsch als Fremdsprache unterrichtet.1

Lumumba-Denkmal in Leipzig (Foto: Leipzig Postkolonial)

Das Lebenswerk Patrice Lumumbas (1925-1961)

Lumumba wurde 1960 erster demokratisch gewählter Premierminister der unabhängigen Demokratischen Republik Kongo (DRC), nachdem er Jahre zuvor die Unabhängigkeitsbewegung im Kongo zur Überwindung der belgischen Kolonialherrschaft angeführt hatte. Er gilt als einer der wichtigsten Denker und Kämpfer der Dekolonisierung. Seine Ermordung am 17. Januar 1961 durch kongolesischen Putschisten unter Beteiligung eines US-Gemeinheimdienstes und der belgischen Regierung erschütterte die weltweite Öffentlichkeit und wird nach wie vor als eines der großen ungesühnten Verbrechen im postkolonialen Afrika betrachtet. Kompromisslos setzte sich Lumumba für die Gleichberechtigung der Schwarzen in der vereinten DRC ein, entgegen den Interessen der USA, Belgien und einflussreicher kongolesische Provinzführer.

Nachdem es Anfang 1959 in Kinshasa, dem ehemaligen Léopoldville, im Zuge afrikaweiter Autonomiebewegungen, zu starken Protesten gekommen war, wurde in Belgien die Unabhängigkeit der Kolonie beschlossen. Lumumba gewann mit seiner Partei Mouvement National Congolais die ersten demokratischen Wahlen der DRC. Am 30. Juni 1960 wurde die ehemalige belgische Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen. An diesem Tag betonte Belgiens ehemaliger König Baudouin I., Urgroßneffe von König Leopold II., in seiner Rede in der kongolesischen Hauptstadt Léopoldville, die ‘zivilisatorischen Leistungen’ der belgischen Kolonialbesatzung im Land. Er stellte die Unabhängigkeit als „die Vollendung des genialen Werks, das König Leopold II. begonnen hatte” und als eine großzügige Geste der belgischen Nation an die Kongolesen*innen dar. Dieser Einschätzung widersprach Patricia Lumumba in seiner bekannten Gegenrede. Er betonte, dass die Unabhängigkeit das Ergebnis des kongolesischen Freiheitskampfes sei. Konkret prangerte die gewaltvolle belgische Kolonialherrschaft und Unterdrückung an:

 „(…) Wir haben zermürbende Arbeit kennen gelernt, mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht ermöglichte, den Hunger zu vertreiben, uns angemessen zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen (…).Wir haben Spott, Beleidigungen und Schläge kennen gelernt, die wir morgens, mittags und abends ertragen mussten, weil wir Schwarze sind. Wer wird vergessen, dass zu einem Schwarzen „Du“ gesagt wurde, bestimmt nicht als ein Freund, sondern weil das ehrenwertere „Sie“ allein für die Weißen reserviert war? (…) Wir haben gesehen, dass es in den Städten herrliche Häuser für die Weißen gab und baufällige Hütten für die Schwarzen (…). Wer wird je die Massaker vergessen, in denen so viele unserer Geschwister umgekommen sind, die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich weigerten, sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung zu unterwerfen? All dies, meine Brüder, haben wir erlitten.“

Heinrich-Böll-Stiftung (2010). Patrice Lumumba – Symbolfigur des Kampfes gegen den Kolonialismus. Rede von Patrice Lumumba, erster Premierminister des Kongo (später Zaire) am 30.6.1960, Tag der Unabhängigkeit des Kongo, vom 24. Juni 2010

Die anwesenden belgischen und westeuropäischen Staatsvertreter*innen vor allem König Baldouin I. waren von der Rede schockiert. Da Lumumba es wagte den belgischen Kolonialismus offen zu kritisieren, folgten in der internationalen Öffentlichkeit starke Reaktionen. Er stellte sich fortlaufenden kolonialen Interessen entgegen und forderte eine vollständige Dekolonisierung auf politischer, wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Ebene. Da er die realen Verhältnisse eines brutalen Kolonialismus benannte wurde er auch über die DRC hinaus zu einem bekannten und anerkannten Hoffnungsträger des postkolonialen Afrika.

Lumumba galt als ein charismatischer Anführer und und verfolgte als Politiker konsequent Visionen für die DRC und für den afrikanischen Kontinent.2 Aufgrund der Befürchtung, Lumumba könne durch seinen neuen Amt weitere Unabhängigkeitsbewegungen und –gedanken befeuern sowie den Zugang zu kongolesischen Rohstoffen für den Westen erschweren, wurde ein Mordkomplott gegen ihn geschmiedet. Nach 80 Jahren belgischer Kolonialherrschaft war der junge Staat mit einer schwachen Verwaltung und instabilen Wirtschaft an die kongolesische Regierung übergeben worden. In der rohstoffreichen Provinz Katanga versuchte zudem der Politiker Moïse Tshombé die Machtübernahme und Abspaltung der Region voranzutreiben. Die belgische Regierung nutzte diesen Umstand und besetzte Katanga unter dem Vorwand seine Staatsangehörigen zu schützen mit 10.000 Soldaten. Primäres Ziel war aber die Kontrolle über die dortige Bergbauindustrie. Mit der belgischen Invasion wurde Tshombé ermutigt, seinerseits die Unabhängigkeit zu erklären. Die von ihm in Katanga ausgerufene „Union Minière“ erhielt finanzielle Unterstützung aus Belgien. Lumumba rief die UNO und die USA erfolglos dazu auf einzugreifen und die Regierung und deren Truppen zu unterstützen. In einem Hilfegesuch wandte sich der kongolesische Premierminister an die UdSSR, die daraufhin Lebensmittel, Waffen und Fahrzeuge an die DRC lieferte. Die USA wiederum baute Joseph-Désiré Mobutu auf, der als Stabschef der Armee mit Hilfe der CIA einen Putsch durchführte und die junge demokratisch gewählte Regierung stürzte. Diese erste Kongo-Krise ist eines von vielen Beispielen für “heiße Konflikte” im Kalten Krieg im postkolonialen Afrika.3 Lumumba wurde schließlich als Kommunist dämonisiert, abgesetzt und unter Hausarrest gestellt. Daraufhin veranlassten die belgische Regierung und die US-Regierung unter Eisenhower Lumumbas Ermordung, die nach tagelanger Folter am 17. Januar 1961 erfolgte.

Patrice Lumumba. (©picture-alliance/APphoto)

Das Lumumba-Denkmal in Leipzig  

Das Denkmal wurde von der DDR-Organisation Freie Deutsche Jugend (FDJ) errichtet. Die damalige Bezirksleitung der FDJ wandte sich nach der Ermordung Lumumbas im Januar 1961 an den damaligen Rektor der Universität und bat darum, das Denkmal auf dem Universitätsgelände aufstellen zu dürfen.4

Das Denkmal wurde im November 1961 unter großem öffentlichen Interesse enthüllt. Viele Menschen verließen ihre Arbeitsstätten und Lautsprecherwagen fuhren durch die Straßen, um auf das Ereignis aufmerksam zu machen. Bis zum Ende der DDR um 1990 wurde das Denkmal als zentraler Versammlungsort für staatliche Gedenktage, wie z.B. dem Geburts- und Todestag Lumumbas, genutzt. Im offiziellen politischen Diskurs der DDR symbolisierte das Denkmal „die Solidarität mit den Befreiungsbewegungen“, die seit den 1960er Jahren insbesondere viele afrikanische Staaten aus der Kolonialherrschaft in die Unabhängigkeit führten. Auch für afrikanische Communities in der DDR, die in Leipzig sehr stark waren, sowie für weitere „studentische Ländergruppen“ war das Denkmal von besonders großer Bedeutung.5

Nach dem Mauerfall richtete sich kaum noch öffentliches Interesse auf das Denkmal. In der Nacht zum 01. Mai 1997 wurde die Stele von Unbekannten umgeworfen und die darauf angebrachte Büste entwendet. Die Universität Leipzig unternahm zunächst nichts zur Wiedererrichtung des Denkmals. Die Deutsch-Afrikanische-Gesellschaft (DAFRIG), die sich im Jahr 1990 mit dem Ziel der ‘Völkerverständigung’ (ein in der DDR etablierter Begriff) gründete, und besonders ihr ehemaliger stellvertretender Vorsitzender Hans-Joachim Wienhold setzten sich stark für die Wiedererrichtung des Denkmals ein. 6 Wienhold wandte sich im Jahr 2006 an die Universität Leipzig, um eine Wiederaufstellung zu erwirken. Darauf antwortete die Universität, „Lumumba habe mit der Universität nichts zu tun […]. Er habe sie nie besucht oder mit ihr zusammengearbeitet.“7 Nachdem sich Wienhold im Jahr 2010 zum wiederholten Mal an den damaligen Universitätsrektor Franz Häuser wandte und um die Wiederherstellung des Gedenkortes bat, wurde das Vorhaben unter dem Eindruck des nahenden 50. Todestages Lumumbas genehmigt. 8

Im Januar 2011 wurde mithilfe von Spendengeldern (v.a. von DAFRIG und der Rosa-Luxemburg-Stiftung) eine neue Bronzenachbildung des Kopfes von Lumumba als Büste vor dem Herder-Institut aufgestellt. Sie ist die Kopie eines Werkes der Künstlerin Jenny Mucchi-Wiegmann, die das Original 1961 unter dem Eindruck der Verhaftung und Ermordung Lumumbas schuf. Zu diesem Anlass kamen etwa 200 Menschen, darunter auch die damalige Botschafterin der Demokratischen Republik Kongo in Deutschland, Clémentine Shakembo Kamanga, und Vertreter des kongolesischen Fernsehens.9

Bedeutung Patrice Lumumbas für eine postkoloniale Erinnerungskultur

Patrice Lumumba strebte nach einer vollständigen nationalen Souveränität und Überwindung der Kolonialherrschaft auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene. Sein Unabhängigkeitskampf für die demokratische Republik Kongo galt weiteren antikolonialen Unabhängigkeitsbewegungen Afrikas und weltweit als Vorbild. Ähnlich wie Che Guevara wurde auch Lumumba Ikone der internationalen Linken – sein Vermächtnis im Kongo ist und bleibt umstritten. Die Tatsache, dass um 1961 in Leipzig in der DDR ein Denkmal für Lumumba errichtet und er fortan als antikolonialer Held, sowie als Zeichen der „Verbundenheit mit den kolonialisierten Staaten Afrikas“ verehrt wurde, während in der BRD viele Straßen (bis heute) die Namen von Kolonialverbrechern tragen, zeigt auch Unterschiede in der offiziellen Gedenk- und Erinnerungskultur beider deutscher Staaten.10 Während Lumumbas Lebenswerk im ‘Kalten Krieg’ stark ideologisch bewertet wurde, so ist sein herausragender Beitrag für eine grundlegende Kritik am Kolonialismus und damit für eine postkoloniale Erinnerungskultur, nicht zuletzt im Kontext der aktuellen Debatten um die Umbenennung von Straßen, heute unumstritten.


  1. Kreuzer, Pöllmann, Alexander (01.02.2011): Ein Denkmal und seine Geschichte. Patrice Lumumba, Leipzig und die Deutsch-Afrikanische Gesellschaft.
  2. Film und Filmheft “Lumumba” von Raoul Peck, Frankreich/Belgien/Haitit/Deutschland 2000.
  3. Greiner Bernd u.a. (Hrsg.) (2006): Heiße Kriege im Kalten Krieg, Hamburg: HIS-Verlag.
  4. Kühne, Tina/ Ruge, Marcel/ Vennemann, Svenja (2011): Lumumba hat keine Lobby. (Blogeintrag mit PDF eines Beitrages in der LVZ).
  5. Pöllmann, Alexander (01.02.2011): Ein Denkmal und seine Geschichte (Kreuzer-online) und Löschmann, Martin (07.02.2011): Das Herder-Institut in Zeit und Raum. (Herderblog.net).
  6. Ebd.
  7. Kühne/Ruge/Vennemann, Lumumba hat keine Lobby.
  8. Pöllmann, Ein Denkmal und seine Geschichte.
  9. Ebd.
  10. Ebd.